Krampusse läuten den Advent ein | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Dominik Berchtold

07. Dez. 2015 · Kultur
Carolin Schratt

Bene und d‘Bommera

Eigentlich ist Bene angehender Architekt. Doch in der Vorweihnachtszeit tauscht er Zeichenstift und Bauhelm gegen eine typisch alpenländische Kluft. Dann ist er nämlich Krampus mit Leib und Seele.

Müsste Bene den Krampussen ein Haus bauen, wüsste er ganz genau, wie es auszusehen hätte: Ein Erdhaus müsste es sein, in einem abgeschiedenen Waldstück. Mit einem großen, hohen Eingang, damit auch er mit seinem gewaltigen Hirschgeweih hindurchpasst. Und alles muss rund sein. Keine Ecken, keine Kanten, damit man sich nirgendwo wehtun kann. Denn ein Krampus sieht schlecht durch seine Fellmaske.

„Angst müssen die Kinder keine vor mir haben.“

Krampusse läuten den Advent ein | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Dominik Berchtold

Am 4. Dezember kommt Bene gerade aus dem Kindergarten. Der Oberkrampus vom Verein d’Bommera hat einen vollen Terminkalender in diesen Tagen. Da stehen ihm schon mal ein paar Schweißperlen in seinem roten Bart, als er das gewaltige Kostüm mit Hirschgeweih, Schelle und Rute ablegt, um sich einen blauen Kapuzenpulli überzuziehen. Im Gegensatz zu anderen Masken hat sein Kopf auch ein Gesicht. Ihm ist es wichtig, dass die Krampusse nicht allzu unmenschlich aussehen: Ein Murmeltier, ein Fuchs oder ein anderes Wesen statt eines gesichtslosen Fellüberzugs.

Ihre beiden "main acts" haben die Krampusse allerdings nicht im Kindergarten, sondern in der winterlichen Kulisse der Talorte: Am ersten Adventswochenende versammeln sie sich zu Dutzenden und läuten inmitten roter Flammen den Advent ein. Der Gedanke hinter dem so genannten Advent E’Lüüta ist vor allem ein geselliger: Für die Einheimischen soll es eine Gelegenheit sein, vor der bevorstehenden stressigen Wintersaison zur Ruhe zu kommen und sich auf einen „Hängert“, einen Plausch mit Bekannten, zu treffen. Die Einnahmen aus solchen Veranstaltungen gehen übrigens an den Kindergarten.

„Ich war ja selber auch mal ein Rotzlöffel.“

Advent E'Lüüta beim Walser Adventszauber | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Dominik Berchtold

Beim Krampustreiben am 6. Dezember geht es um einiges wilder und spektakulärer zu. Bene erinnert sich noch gut daran, wie er früher selbst gerne die Krampusse ärgerte. Wenn nach dem Einzug die ersten Schneebälle auf die Krampusse fliegen, beginnt die Jagd. Mit ohrenbetäubendem Geläut der 10 bis 15 Kilogramm schweren Kuhschellen (im Walser Dialekt: Bommera) jagen sie den frechen Kindern hinterher. Die Strafe fällt im Vergleich zu früher milde aus: mit ein paar Liegestütze oder Kniebeugen ist sie normalerweise abgegolten.

Springen und Jagen

Die bösen Geister bei Dunkelheit zu vertreiben, das ist der ursprüngliche Sinn des Krampustreibens. Kaum zu glauben, dass dieses Brauchtum erst vor 60 bis 80 Jahren aus dem Allgäu ins Kleinwalsertal gewandert ist. Ausgehend davon haben sich eine eigene Tradition und auch ein eigener Kleidungsstil der Walser Krampusse entwickelt. Eine Tradition, die Bene und d’Bommera mit ihrem Verein weiterschreiben möchten. Dazu gehört auch, von Haus zu Haus zu ziehen, die alten Leute und Kinder zu besuchen. Das schweißt die Einheimischen zusammen. Ohnehin ist Bene kein großer Fan der Jagd. Für ihn zählt etwas anderes: „Wenn ein kleines Kind mir seinen Schnuller in die Hand drückt, dann ist es egal, wie sehr diese Zeit an mir zehrt. Das macht allen Stress wieder wett!“

Max Hütte  | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Hans Wiesenhofer

Dieser Artikel könnte dich auch interessieren:

Magie der Rauhnächte

Räuchern, Orakeln, Geister beschwören. Im Kleinwalsertal ist ein uralter Volksglaube lebendig