Catharina Zwerger bei der Wildtierfütterung | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

05. Dez. 2018 · News | Winteraktivitäten
Susa Schreiner

Auf Spurensuche

Catherina Zwerger ist Jägerin, Polizistin, Köchin und Kuhhirtin. Ein Portrait über eine bodenständige Walserin, die leidenschaftlich gerne neue Wege einschlägt – auch wenn sie diese in roter Schnittschutzhose und mit Motorsäge erst einmal selbst ebnen muss. 

Catharina Zwerger bei der Wildtierfütterung | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

„Jagen ist viel mehr als Ansitzen“, sinniert Catherina, genannt Cathi, und ihre grünen Augen funkeln tiefgründig. Sie hängt ihren Gedanken nach, sucht nach den richtigen Worten zum schwierigen Thema. Exakt in diesem Moment, der schon leicht ins melancholische abdriftet, röhrt ihr eineinhalb Jahre alter Sohn Josef wie ein brünftiger Hirsch. Kein „kapitaler“ Hirsch, aber doch deutlich definierbar ein Wildtier auf Brautschau. Wir lachen. Ich lenke wieder auf das Thema Jagd und werfe ein, dass es ja schon ein eher ungewöhnliches Hobby sei, und dann auch noch als Frau ... Cathi überlegt kurz und parliert mit einer Gegenfrage: „Findsch?“

Hobby: Jagd – Eine Entscheidung aus Liebe

Überhaupt ist die Unbeschwertheit irgendwie wieder wie vom Tisch gefegt und Bedächtigkeit übernimmt das Gesprächskommando. Cathi will das Thema in den richtigen Kontext stellen, sie legt wert darauf die richtigen Worte zu finden. Sie weiß, dass die Jagd kein gutes Image inne trägt. Es liegt ihr viel daran den Beruf beziehungsweise in ihrem Fall das Hobby mit all seinen Facetten darzustellen. Weg vom schießwütigen Jäger, der oft nur in der medialen Darstellung auf das Töten reduziert wird. Aber auch um auf Abstand zu gehen von schießwütigen Großwildjägern, denen es tatsächlich nur um die Trophäe geht. Ich komme wieder zur Ausgangsfrage zurück und es stellt sich heraus dass ihr Mann Martin sie zur Jagd gebracht hat. Es war sozusagen eine Entscheidung aus Liebe. Liebe zu Mann, Wild und Natur.

Catharina Zwerger bei der Wildtierfütterung | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Köchin, Kuhhirtin, Polizistin, Jägerin

Cathi war immer schon umtriebig und neugierig, und dabei auf eine unbeschwerte Art und Weise bodenständig, heimatverbunden. Sie hat eine Lehre als Köchin absolviert, die Hotelfachschule im Zillertal abgeschlossen, eine Zeit lang auf Mallorca in einem Restaurant gearbeitet. „Des war schö, da hat ma so wenig zum aziehä brucht“, weil es halt immer warm war auf der Baleareninsel. Einen Sommer hat Cathi als Kuhhirtin in Pettneu am Arlberg verbracht. Ein Herzenswunsch, wie sie erklärt: „Des wollt i unbedingt macha. Eigentlich war mir die Alpe faschd a bissle zwiit onda.“ Aber täglich zweimal 70 Milchkühe melken, putzen, versorgen und hüten, das war dann doch ausreichend Arbeit. Zusammen mit einem Schnee-Einbruch im August zuweilen eine echte Mammutaufgabe.

Eine weitere Herzenssache war es Polizistin zu werden. Im ersten Versuch war sie exakt einen Zentimeter zu klein und wurde abgelehnt. Sie ging daraufhin für 6 Monate in die Rechtsmedizin nach München – Leichen öffnen. Irgendwie wurde dann die Mindestgröße aufgehoben, der fehlende Zentimeter war nicht mehr relevant und Cathi bei der Polizeischule angenommen. In der Zeit hat sie dann auch die Jagdausbildung angefangen. Die Prüfungen für Polizei und Jagd waren dann im Abstand von 2 Tagen. Wieder ein Mammutprojekt. Aber auch diese hat die Walserin souverän gemeistert und bestanden. Böse Zungen können jetzt behaupten sie hat zwei Bereiche mit schwierigem Image gewählt. Denn, sind wir doch mal ehrlich, über Polizisten werden auch eher schlechte Witze gerissen, beziehungsweise deren Arbeit schnell hinterfragt – einem Koch passiert das weniger, wenn da mal was versalzen ist, nun, dann ist der Koch eben verliebt.

Wild-Futterstelle im Winter | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Nur Spazierengehen ist doch langweilig

Aber warum denn gleich die Ausbildung zur Jägerin, nur weil sie gerne draußen ist? Weil, nur Spazierengehen oder wandern, das wäre ihr zu langweilig. Sie braucht da schon eine Aufgabe on top. Entsprechend haben sich Cathi und ihr Mann Martin ein kleines Jagdrevier mit etwa 235 Hektar im Walsertal gepachtet. Gleichberechtigt, wie ihr Mann direkt einräumt. Cathi’s Augen funkeln dunkelgrün, wenn sie davon erzählt wie sehr sie es liebt draußen in der Natur zu sein, als Jägerin und Verantwortliche für ihr Revier. Sie geht nicht nur einfach in die Natur, sie beobachtet, zählt, hegt und pflegt Wild und Wald.  Besonders gerne ist sie mit ihrer kleinen Motorsäge unterwegs. Dann sägt sie Wege aus, damit sie und ihr Mann gut auf die Pirsch gehen können. „Weisch i hab a rotä Schnittschutzhosa, die macht a richtig guats Füüdle“, lacht sie.

Volle Jagdseminare, wenig Prüflinge

Viele Jägerinnen gibt es nicht im Tal, eigentlich nur zwei überhaupt. Der Rest ist fest in Männerhand. Das wirft bei mir die Frage auf, wer denn so im Seminarraum sitzt, bei der Ausbildung. Nun: Viele! Die Seminare sind immer gut gebucht. Das verwundet mich, ich möchte mehr darüber erfahren. Cathi erläutert, dass sich viele Interessierte lediglich für tiefergehende Informationen in Zusammenhang mit Wild und Wald interessieren. Um Tierspuren richtig zu lesen, um den Kindern oder Enkelkindern den Wald und seine Bewohner explizit erklären zu können, oder aus rein persönlichem Interesse. Das Jagen, sprich das Erlegen von Tieren, die Hege spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Bei der Jagdprüfung lichtet sich der Kreis dann drastisch. Denn: die Prüfung ist anspruchsvoll, die Durchfallquote hoch, die Zahl der Wiederholer gering. Das erklärt dann doch das ausgeglichene Verhältnis zwischen Wild und Jäger im Land. 

Catharina Zwerger mit Kind bei der Wildtierfütterung | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Spurenlesen – Eine Jägerin in ihrem Element

Am nächsten Morgen werde ich vom Zwerg im tannengrünen Wärmeanzug begrüßt und auch Cathi hat das beste „Jäger-Hääs“ an, samt Camouflage-Fleece mit pinkfarbenen Akzenten. Und so fahren wir in hübschen Grün-Noten zum Treffpunkt in die Schwende. Ein Schild weist darauf hin, dass hinter der Schranke die Wildschutzzone beginnt. Vorderhalb erwartet uns Andi Fritz, er ist Berufsjäger mit einem über 2000 Hektar großen Revier, das er zu verwalten hat, samt Wildfütterungsplatz im Winter den wir jetzt gemeinsam ansteuern. 

Josef, die kleine röhrende Tanne freut sich tierisch auf draußen, und klatscht erfreut in die Hände. Am Wildfütterungsplatz angekommen machen sich Andi und sein Gehilfe gleich an die Arbeit. Die Futterkrippen müssen mit lecker duftendem Heu befüllt werden. Wir sollen derweil ein bisschen plaudern. Cathi macht mich auf Spuren im Schnee aufmerksam. „Luag, des isch die Spur vo am Hirsch “, erklärt sie. Für mich sah das nach einem einfachen Loch im Schnee aus. Es muss ein prächtiges Tier sein, so tief wie es in den Schnee reicht. Cathi zeichnet mir die typischen Spuren eines Hasen ins kalte Weiß und erklärt die elegante Spurlinie eines Fuchses. Ich bin begeistert.

Ansitzen im Hochsitz | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Der beste Schlaf ist der auf dem Hochsitz

Ich fühle mich hier wie auf dem Präsentierteller. Stelle mir vor, dass hinter jedem Baum ein Reh, ein Hirsch, ein Fuchs, ein Hase lauert, gegebenenfalls flankiert von Birkhuhn und Dachs. Alle Augen, so bilde ich mir ein, sind auf mich gerichtet. Wild-TV sozusagen, nur dass die Zuschauer anstatt Popcorn zu mümmeln, ein bisschen Moos kauen und amüsiert dem Treiben der Zweibeiner zuschauen. „Nein, das ist nicht so“, meint Andi, sie wären zu scheu, würden ein gutes Stück weiter oben warten, dass wir gehen, um dann in aller Ruhe ihr Heu knabbern zu können.

Cathi ist da aber auch ganz Frau und meint, wenn es dunkel wird, dann habe sie immer das Gefühl vom Wild beobachtet zu werden. Sie sei dann richtiggehend erleichtert, wenn sie wieder im sicheren Auto sitzen würde. Sie erzählt, dass sie ohnehin häufig auf dem Hochsitz einschläft, da möchte sie nicht wissen, was da schon alles gemächlich vorbeigelaufen sei und fragt sich selbst, ob sich nicht doch mal ein paar der Tiere amüsiert hätten, über die schlafende Jägerin.

Wild auf Futtersuche im Winter | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Ein Akt des Respekts

Aber natürlich verschläft Cathi nicht jedes Ansitzen. Schließlich müssen sie und ihr Mann auch einen Abschussplan erfüllen. Sprich, weil die natürlichen Feinde des Wilds eliminiert wurden, weil die Rückzugsgebiete vor allem im Winter für das Wild knapp sind, und damit junge Bäume ihre frischen Triebe nicht als Futterersatz verlieren, müssen Abschusspläne von den Jägern eingehalten werden. Penibel. Sollten die Forderungen nicht erfüllt werden, können Geldstrafen verhängt, oder sogar die Jagdkarte entzogen werden. Und so kommt es wie es kommen muss: Wir sprechen über das Erlegen. Cathi schießt nur, wenn sie sich absolut sicher ist, dass sie das Tier perfekt trifft und dieses sofort tot ist. Kein Leiden. Lieber sitzt sie öfter an, bevor etwas schiefgeht. Martin sagt, dass seine Frau eine hervorragende Schützin sei.

Auf das Lob geht sie nicht ein. Ich frage ob sie sich noch an ihr erstes erlegtes Tier erinnern kann. Selbstverständlich erinnert sie sich. Es war eine Rehgeiß. Sie hatte das Tier über einen langen Zeitraum immer wieder im Visier, hat gewartet bis sie in perfekter Schusslinie war. Die Geiß war sofort tot. Cathi hat geweint. Tut sie zuweilen nach dem Erlegen eines Tieres immer noch. Weil ihr bewusst ist, dass sie gerade ein Leben ausgehaucht hat. Und weil das Tier noch warm ist, und lebendig aussieht. Sie erweist jedem den nötigen Respekt, steigt niemals über ein totes Tier einfach drüber. Sie geht außen herum. Auch gibt sie dem Tod die notwendige Zeit sich im Tier auszubreiten, lässt das Leben entweichen und dessen Seele. Ich verstehe was sie meint. Es ist ein Akt des Respekts vor einem Lebewesen, das in unserer Zeit so häufig verloren gegangen ist, und das als Tabuthema an den Rand geschoben wird. 

Wild auf Futtersuche im Winter | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Auch würde sie das erlegte Tier nicht achtlos über den Boden Richtung Tal schleifen. Es wird geschultert. Wenn sie es nicht aus eigener Kraft schafft, dann hilft ihr Mann Martin. Nicht selten ein körperlicher Kraftakt, der viel Trittsicherheit erfordert, vor allem weil Cathi’s und Martin’s Jagdrevier teils im hochalpinen Bereich liegt. Genau im richtigen Moment, bevor die Melancholie uns mit sich in die Tiefe reißen kann, röhrt Josef los. Er steht vor einem Geweih an der Jagdhütte und markiert den liebestollen Hirsch. Josef wird mal ein fantastischer Jäger und wenn er so weiter macht, braucht er kein Jagdhorn für die Tonproduktion bemühen. Wir schnappen uns den kleinen Wildzwerg und machen uns auf den Rückzug. Damit das Wild in Ruhe sein duftendes Heu genießen kann.

>>>Mehr Informationen zu der Initiative RespekTiere deine Grenzen

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