Altes Walserhaus | ©  Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Antje Pabst

16. Aug. 2014 · Kultur

Den Walsern auf der Spur - Baukunst und Lebensart ...

... ist das Thema jeden Donnerstagnachmittag, wenn sich eine kleine Gruppe vor der Touristeninformation in Mittelberg trifft.

Stefan Heim, Chronist der Gemeinde Mittelberg und damit DER Mann für alles, was sich um Geschichte und Historie des Kleinwalsertals dreht, lädt im Namen des Tourismusbüros zu einer Wanderung auf den Spuren der alten Walser Einwanderer ein.

Etwa im Jahr 1270 – also vor mehr als 700 Jahren – begann die Einwanderung über die Berge aus dem Oberwallis in der Schweiz, man geht davon aus, dass der Weg über den Hochalppass und den Gemstelpass ins Tal führte. 5 Walser Familien unter der Führung von Hans Wüstner nahmen diesen beschwerlichen Weg auf sich, um sich im heutigen Mittelberg für immer nieder zu lassen und hier in typischer, auch heute noch zu sehender Weise ihre Streusiedlungen zu errichten.

Die Siedler erhielten an vielen Orten das „Walserrecht“ (Kolonistenrecht), d.h. die persönliche Freiheit zur Urbarmachung, das Recht zur Bildung eigener Gerichtsgemeinden und einige Rechte mehr. Im Kleinwalsertal weisen noch viele Ortsnamen oder Flurbezeichnungen auf das Roden (Schwenden, Reuten) hin, dazu gehören Schwende, Schwendle, Schwand, Kesselschwand, Riezlern.

„Erlebe das Original“ – so heißt es in einem Werbeslogan des Kleinwalsertals. Doch was ist noch Original? Wer mit offenen Augen durch die Ortsteile geht, der kann noch so manch Originales entdecken.

Ein schönes Beispiel ist das 1552 erbaute Walserhaus in Bödmen. Das typische Walserhaus der 1. Bauperiode, also gleich nach der Einwanderung um etwa 1300, war ein einfaches Blockhaus und hatte zwei niedere Stuben, unten Wohn- und Kochraum, oben Schlafraum. Teilweise wurden die Wände mit Holzschindeln verkleidet, teilweise mit Kalkmörtel angeworfen. Das Dach wurde zunächst mit großen Schindeln, später mit kleineren, behauenen Schindeln gedeckt und auch mit Steinen belegt. Typisch für das Walserhaus ist die Brüüge, ein auf zwei Seiten von den Hauswänden abgegrenzter und von der Altane überdachter freier Raum. Dieses hölzerne Podium ist eine gemütliche, nur im Walsertal zu findende Einrichtung, die mit Klapptisch und Bank an der Wand zum Verweilen einlädt und wo man sich noch heute gern in geselliger Runde trifft. Nach und nach erfolgten über die Jahrhunderte Erweiterungen. In kleiner Entfernung zum Haus stand ein Speicher zur Aufbewahrung von Lebensmitteln, auch heute noch ist das zu sehen.

Zu jedem Haus gehörte ebenfalls ein Stall, der in einiger Entfernung vom Haus gebaut wurde. Als Bauweise der Walserställe seit jeher bewährt hat sich die Blockkonstruktion. Vollständig aus Holz hergestellt, begegnen dem aufmerksamen Beobachter die Futterställe entweder beim Walserhaus als „Huusschtall“ oder in den Wiesen als „Waidschtall“. Im Aufbau findet sich immer wieder die klassische Weise: Der Viehstall (das Kuhzimmer) wurde in Kantholzstrick aufgezimmert, so dass er dicht war und im Winter die Wärme im Inneren hielt. Der darüber liegende Heuraum ist in Blockbauweise „aufgedröhlt“. Damit entstehen zwischen den Stämmen Hohlräume, die dem Heu genügend frische Luft zum Trocknen lassen. Der Stall wurde durch einen bergseitig aufgeschütteten Wall aus Steinen und Erde, die Arche, vor Lawinen geschützt, so dass herabstürzende Schneemassen dem Gebäude keinen größeren Schaden zufügen konnten.

Sind Ihnen auf einem Spaziergang durch Mittelberg auch schon die steinernen Sühnekreuze aufgefallen und haben Sie sich auch schon gefragt, was es damit auf sich hat? Stefan Heim hat es erklärt: Ihre Bedeutung wird unterschiedlich ausgelegt. Überlieferungen zufolge wurden sie im 16. Jahrhundert von Tätern errichtet, die sich eines schweren Verbrechens schuldig gemacht hatten (Mord oder Totschlag). Aber nicht nur Strafe, auch Sühne wurde dem Unhold damit auferlegt. Meist eigenhändig musste er das Sühnekreuz aus dem Stein hauen und am Tatort aufstellen. Zu beiden Seiten des Kreuzes wurde je ein „Züüga“ – ein steinerner Zeuge des Verbrechens – eingegraben.

Erstaunlich und bewundernswert ist es auch, wie sich der Dialekt, die Muttersprache der Walser, gehalten hat und noch immer gepflegt wird. Ich komme nun schon einige Jahre regelmäßig ins Tal, aber wenn sich meine einheimischen Freunde im „Walser-Dütsch“, ihrer Muttersprache, unterhalten, kann ich oft nicht folgen.

Nach einer sehr interessanten Führung durch Mittelberg, Bödmen und in Richtung Gemsteltal endet unsere ca. 3-stündige Exkursion in die Vergangenheit mit dem Gang auf einem kurzen Stück des Weges, den die Walser vermutlich bei ihrer Einwanderung auch benutzten – Zeit genug, um Stefan noch mit Fragen zu überschütten und interessante Antworten zu sammeln.

Wie sieht ein echtes Walserhaus aus? Was ist das Besondere daran? Warum heißt das Maisäß so, wie es heißt? Warum sind Türen so niedrig und Fenster so klein? Wie lebten und arbeiteten die Walser vor einigen 100 Jahren? Was sind Heinzen oder Kolombbesse und wofür benötigt man sie? Was haben die Walser mitgebracht an Brauchtum und Kultur und was lebt noch heute weiter? Wenn auch Sie eine Antwort auf all diese und noch viele weitere spannende Fragen suchen, dann begleiten Sie Stefan doch auch einmal. Besuchen Sie das Heimatmuseum oder einen Heimatabend, wandeln Sie auf dem Walser Kulturweg.

Haiba im Kleinwalsertal | © Kleinwalsertal Tourismus eGen

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