Cafe Seiwald | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Stefan Heim

18. Mai. 2017 · Kultur
Stefan Heim

Die Kaffeesiederin von Riezlern

Das heutige Café Amely in Riezlern hat den Tourismusaufschwung der 30er Jahre im Kleinwalsertal mitgemacht – und dabei ging es nicht immer nur um Kaffee & Kuchen...

Kurz vor dem zweiten Weltkrieg eröffnete das heutige Café Amely in Riezlern. Seine "Erfolgsgeschichte" zeichnet exemplarisch die Geschichte der Tourismusentwicklung im Kleinwalsertal nach. Weshalb in den Anfangsjahren außerdem viel mehr als nur der Duft von Kaffee und Gebäck durchs Haus zog, erzählt Stefan Heim.
 

Seiwald Plakat  | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Stefan Heim

Ein Café für Riezlern

Das Werbeplakat des Cafe Seiwald, mit der Pfarrkirche Maria Opferung in Riezlern und dem Hohen Ifen im Hintergrund, stammt aus der Zeit zwischen 1936 und 1940. Es wurde zufällig im Jahr 2016 im Schaufenster eines Innsbrucker Antiquariats entdeckt und gehört mittlerweile dem Walser Museum – die Geschichte des Cafes bzw. der Familie erzählt nämlich exemplarisch auch die Geschichte des rasanten Tourismusaufstiegs in den 1930er Jahren im Kleinwalsertal.

Das Hotelierehepaar Hans und Amalie Seiwald kam im Jahr 1936 aus Garmisch ins Kleinwalsertal, baute 1936 ein Haus in Riezlern (heute Walserstraße 36) und bereits am 20. Dezember 1936 war die Eröffnung der Konditorei und des Café Seiwald. Das Café Seiwald war ein mustergültig geführter Betrieb und galt damals sogar als „kleine Sensation“. Frau Amely war mit Leib und Seele die, wie sie sich immer selbst nannte, „Kaffeesiederin“.

Tanz & Kabarett nach den Kriegsjahren

Im Jahr 1944 wurde ein Teil der Volksschule Riezlern im Café untergebraucht, weil das Schulhaus als Lazarett verwendet wurde. Die französische Besatzung erkor ab Mai 1945 das Haus als Unteroffiziersmesse.

1950 wurde das Haus erweitert und es kam die „Mocca Stube“ dazu und der Betrieb erhielt den Namen „Café Amely“. Neben der bekannten Konditorei gab es den Tanztee und den Abendtanz. Die „Wahl der Blumenkönigin“, Modenschau mit Heinz Östergard, Kabarett „die Stachelschweine“ mit Dieter Hildebrandt und Auftritte von Vico Torriani gehörten zum Angebot des Hauses.

Winter im Kleinwalsertal - Früher | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Stefan Heim

Jagen, Klettern, Baden – der Tourismus bis 1930

Die frühesten Touristen sollen angeblich schon die Schwefelquelle in der Ortschaft Baad im Jahr 1434 zum Baden benutzt haben. Diese Quelle wurde bis 1860 noch zum Baden gebraucht, ist aber durch einen kleinen Erdrutsch versiegt.

Der erste namentlich bekannte Tourist war 1843 der Reiseschriftsteller Ludwig Steub, der seine Reiseerinnerungen 1846 in seiner Erstauflage des Buches „Drei Sommer in Tirol“ im Kapitel „Die beiden Walserthäler“ veröffentlichte. Ansonsten besuchten seit Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem fürstliche Jagdgäste und Alpinisten das Kleinwalsertal.

Die Eisenbahnlinie bis nach Oberstdorf/Allgäu wurde 1889 eröffnet und bot den Urlaubern schon eine günstige Anreise. Von Oberstdorf ging es dann zu Fuß oder per Pferdefuhrwerk weiter und 1930 wurde die Omnibusverbindung von Oberstdorf nach Mittelberg eröffnet.

In den 1920er Jahren begann dann eine rasante Entwicklung des Tourismus. Sehr viele Menschen kamen damals schon vor allem aus Baden Württemberg. Die Bekanntheit des Tales in diesem deutschen Bundesland soll vor allem durch die Württembergische Schneeschuh-Kompanie Nr. 1 entstanden sein. Diese war während des 1. Weltkrieges zur Skiausbildung in den Hütten rund um die Melköde stationiert. Es begann in dieser Zeit bereits ein großer Zuzug von deutschen Staatsbürger, welche in der Folge auch eine entscheidende Rolle in der Tourismusentwicklung des Tales spielen sollten.

Sommer im Kleinwalsertal - Früher | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Stefan Heim

Tausend Mark für Urlaub im Kleinwalsertal? Nicht mit uns!

Große Bedeutung für den touristischen Aufschwung erlangte die am 1. Juni 1933 eingeführte „Tausend-Mark-Sperre“. Für die Ausreise von Deutschland nach Österreich wurde eine Visumgebühr von 1000 Reichsmark verlangt. Zunächst wurde auch das Kleinwalsertal in diese Anordnung einbezogen. Eine Abordnung des Tales reiste nach Berlin und erreichte, da sie sich auf den Zollanschlussvertrag von 1890 berief, die Aufhebung der Visumspflicht am 10. Juni 1933. Deutsche Gäste konnten nun ohne Einschränkung in das Tal reisen.

Erstaunliches offenbaren auch die Werbeplakate aus den 1930er Jahren. Bis zum Jahr 1938 hatte jede Ortschaft, also Mittelberg, Hirschegg und Riezlern, einen eigenen Fremdenverkehrsverein. Diese bewarben ihre Orte auch völlig unabhängig voneinander. Erst durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1938 wurde die Werbung für das ganze Tal vereinheitlicht.

Wie Pilze aus dem Boden

Die Jahre darauf begann eine sehr rege Bautätigkeit, worunter auch der Bau des Cafe Seiwalds fiel, wie wir aus dem Gendarmeriebericht vom 27. Jänner 1937 erfahren:

„Während der Jahre 1936 bis Herbst 1937 wurden in Hirschegg das Sportcafe-Fischer (Alpina), das Drogeriegebäude des Siegfried Walker, das Bankgebäude, das Sportheim „Württemberg“ und das Feuerspritzenhaus gebaut. Weiters wurden in Hirschegg noch 13 Privathäuser neu erstellt. In Riezlern wurde während der erstangeführten Zeit die Klinik Dr. Backer im modernsten Stile erbaut und eingerichtet. Es finden dort ca. 100 Personen Aufnahme. Die Klinik ist von Patienten dauernd besetzt. Weiters wurden in Riezlern zwei reichsdeutsche Zollwachhäuser, dann die Schreinerei Köberle, das Installationshaus Lingenhöl, das Cafe-Seywald, das Hotel-Walserschanz und noch 7 Privathäuser neu gebaut. Ferner wurde in Mittelberg das Sporthotel-Dreher in Baad, die Schreinerei Bruno Schuster, 3 reichsdeutsche Zollwachhäuser und 12 Privathäuser neu errichtet. Die gewerblichen Betriebe des Tales wurden fast durchwegs umgebaut und erweitert. Auch viele Privathäuser wurden für den Fremdenverkehr ausgebaut und eingerichtet.“

Stefan Heim ist Leiter des Walser Museums und Chronist der Gemeinde Mittelberg. Derzeit koordiniert und entwickelt er mit anderen Beteiligten das neue Konzept für das Walser Museum. 
Mehr über die BAUSTELLE : MUSEUM und das MUSEUM : GUCKLOCH finden Sie hier

Alphornbläser im Musikpavillon in Mittelberg | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Frank Drechsel

Dieser Artikel könnte Sie auch interessieren:

Das Alphorn - das Handy von damals

Alphorn spielen will gelernt sein! Unser Kurs bei Gilbert Kolly im Rahmen der Alphorntage.