Go with the flow
Unsere Autorin testet zwei Walser Omgang Wege. Die führen sie vorbei an einem Alpschweine-Hotel, an unerwarteten Gewässern – und sie erlebt unterwegs dieses Gefühl...
Resturlaub im Walsertal – Flow und ganz viel Om
Mein liebstes Ziel, mein Kraftort: Das Kleinwalsertal, da will ich hin. Ich surfe auf der „Tal-Homepage“ und lande bei den Walser Omgängen.
"Flow: Das beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustands völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit", heißt es in der Psychologie.
2 Tage dem Schwarzwasserbach von der Quelle bis zur Walserschanze zu folgen lässt einen auch völlig vertiefen – eine Autorin erlebt den Flow ...
Nach diesem mächtigen Sommer, mit seinen vielen warmen, oft heißen Tagen ächzte nicht nur die Natur nach Ruhe, Kühle und Regen. Ehrlich gesagt, Anfang September pfiff auch ich aus dem letzten Loch ... draußen sein, Freunde treffen und bis in die Puppen draußen sitzen – derart intensive Sommermonate hinterlassen ihre Spuren. Also, die stabile Wetterlage musste ausgenutzt werden, aktive Regeneration war gefragt: Gemütlich wandern, Aussichten genießen und Einsichten gewinnen – Herbststimmung im Hier und Jetzt.
Entdecke die Vielfalt des Lebens
Der erste meiner beiden Wandertage führt mich vom Walmendinger Horn über die Ochsenhofer Scharte ins Schwarzwassertal zur Auenhütte. Startpunkt ist die Bergstation der Walmendingerhornbahn, von dort geht es kurz bergab und dann quer Richtung Lüchlealp. Die nächste Stunde läuft man im leichten Auf und Ab über Almwiesen. Schmetterlinge flattern um die Nase, als wären sie das Begrüßungskomitee auf dem persönlichen Entdeckerpfad des Lebens. Bienen surren mit viel Tempo vorbei – als ob sie mir mitteilen wollten: Sorry, wir müssen arbeiten, schön, dass Du da bist! Ich glaube, ich bin schon im Flow ...
Feinster Kuhglocken-Jazz
Etappenziel Schwarzwasserhütte
Auf Höhe der Starzelalp mach ich eine kurze Trinkpause, denn die nächsten gut 30 Minuten geht es steil bergauf zur Ochsenhofer Scharte, dem Tor zum Schwarzwassertal, und damit zum Schwarzwasserbach, dem ich ja folgen möchte. Der Atem wird schneller, die Schritte langsamer ...
Die Melköde-Alp
Von jetzt an folge ich dem Schwarzwasserbach, der hier oben zwei Quellen entspringt. Etwas unterhalb der Hütte mündet der Weg in einen lichten relativ steilen Bergwald. Am Waldrand, ein gutes Stück tiefer, liegt die Melköde. Vor der Alp breitet sich ein Hochmoor aus, der prachtvolle Ifen wacht auf der einen Seite über Hütte, Mensch und Vieh, während auf der anderen Seite der Schwarzwasserbach in einem Wasserfall die Steigung überwindet ... „Malerisch“, denke ich und lenke meinen Weg Richtung Hütte.
5 Minuten später sitze ich mit einer Marillensaftschorle in der Sonne und komme mit meinem Tischnachbarn ins Gespräch, dem Alpmeister der Melköde. Martin Fritz, heißt er und ist ein Walser Original: jung, mit viel Elan und heimatverbunden. Ich frage nach dem Schwarzwasserbach und erfahre viel:
Hotel für die Alpschweine
Erstmalig urkundlich erwähnt wurde die Alpe schon 1461, und ein Alpbuch von 1648 weist auf eine jahrhundertelange Bewirtschaftung der Genossenschaftsalpe Melköde hin. Seit jeher werden Milchkühe aufgetrieben und deren Milch zu Käse verarbeitet. Der Schwarzwasserbach sicherte die Wasserversorgung für Mensch und Tier
Das Hochmoor und der Schwarzwasserbach
Martin erklärt mir weiter, dass der Schwarzwasserbach einen Ober- und einen Unterlauf hat. Das Resultat eines mächtigen Felssturzes. Ein riesiger Felsbrocken hatte sich vom Ifen gelöst und das gesamte Schwarzwassertal verlegt. Daraus sind die Hochebene und der Oberlauf des Schwarzwasserbaches entstanden. Auf meinem Weg ins Tal würde ich zwei große Felsbrocken passieren, dort versickert der Bach um in gut 500 Metern unter der Oberfläche weiter ins Tal zu fließen. Unterhalb der Auenhütte tritt das Wasser dann wieder an die Oberfläche und fungiert als Wasserstandpegel für die Einheimischen. Sprich: Wenn es hier ordentlich durchrauscht, staut sich weiter oben Wasser. Im Juni, so Martin weiter, ruft er oft Gummistiefelalarm für die Wanderer aus, dann liegt die Melköde an einem 12 Hektar großen See, das Hochmoor ist geflutet.
Ich überlege, dass ich unbedingt mal im Juni nach langem Regen dorthin laufen muss, das will ich sehen ...
„Folge dem Lauf des Lebens“
Die Sonne kitzelt mich schon früh morgens am nächsten Tag aus dem Bett, „komm steh’ auf“, sagt sie mir ...
Ich mache mich fertig, für meinen zweiten Teil „Go with the flow“ und lasse mich vom Walserbus Linie 5 wieder Richtung Auenhütte kutschieren und steige an der Haltestelle „Schröflesäge“ aus. Keine 150 Meter muss ich laufen bis ich den Schwarzwasserbach wieder zunächst höre, und dann als prachtvollen Wasserfall mit tiefen grünen Gumpen erspähe. Da ist es also wieder, das Wasser – wir sind am Unterlauf angekommen.
Gumpe jucke
Moospolster tätscheln
Meiner führt in leichtem bergab durch einen lichten Wald, dicke Moospolster leuchten in allen Grünschattierungen am Wegesrand. Ich muss die mal „tätscheln“, das muss ich seit meiner Kindheit. Ich finde es ein unheimlich tolles Gefühl wenn man so ein dickes weiches Mooskissen berührt, wie es nachgibt, dazu dieser satte Moosgeruch ... Ich erinnere mich an meine Kindheit, an die vielen Spaziergänge mit meinem Vater durch den Wald, auch am Wasser entlang ...
Variable Tourenlänge
Etwas später spuckt mich der Weg aus dem Wald aus, und ich wärme mich kurz an der Herbstsonne, um dann wieder in den nächsten Waldabschnitt einzutauchen. Wer möchte, kann an der Lichtung seine Wanderung beenden und ist in wenigen Minuten an einer Bushaltestelle.
Das ist im Übrigen das Tolle an dieser Wanderung: Man ist in einer vollkommen anderen Welt und doch ganz nah an der Zivilisation. Immer wieder gibt es Abzweigungen die zu einer Bushaltestelle führen bzw. direkt in den Ort Riezlern.
Mein nächstes Ziel ist aber nicht der Bus, sondern die Naturbrücke. Ein großer Felsbogen unter dem sich der Schwarzwasserbach durchschlängelt.
Von hier folge ich dem Weg weiter Talauswärts, das Wasser bietet volles Entertainment: Mal passiere ich weitere Wasserfälle, dann verlasse ich kurz den Bach und laufe über das Hochmoor „Höfle“ um nach kurzer Zeit wieder ans Wasser zu gelangen und erfreue mich an der wildromantischen “Kleinen Zwing”.
Ich laufe indes zum Waldhaus, einer kleinen Waldwirtschaft direkt am Bach. Der Wirt meint es fängt gleich an zu regnen, ach, ich hatte mich die letzten Stunden gar nicht ums Wetter gekümmert. Am Himmel sind tatsächlich dicke Regenwolken aufgezogen, na gut, dann endet mein Weg eben hier und nicht an der Walserschanze – macht nichts. Nach einem leckeren Mittagessen geht es zur Bushaltestelle, an der zirka 150 Meter höher gelegenen Straße. Oben angekommen beginnt es zu regnen. Ist mir egal, im Gegenteil, ich grinse übers ganze Gesicht. super Timing, so im Flow ...
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...und weitersagen