Magie der Rauhnächte
Räuchern, Orakeln, Geister beschwören. Im Kleinwalsertal ist ein uralter Volksglaube lebendig
Manchen Menschen müssen die winterlichen Entbehrungen früherer Generationen in die DNA eingewebt sein. Trotz Zentralheizung, Straßenlaternen und gefüllten Supermarktregalen spüren sie immer noch einen gewissen Respekt vor der Zeit zwischen den Jahren, den so genannten Rauhnächten. Wie sonst lässt sich erklären, dass gewisse Rituale aus dem Volksglauben heute noch so lebendig sind?
Aber was macht diese Nächte so besonders? Das Mondjahr besteht aus 354 Tagen, das Sonnenjahr aus 365 Tagen. Dazwischen fehlen also 12 Nächte. Diese Nächte „außerhalb der Zeit“ gelten als mystisch und magisch, die Gesetze der Natur sind währenddessen außer Kraft gesetzt. Das Schicksal kann neu bestimmt werden. Auch wenn die Natur in dieser Zeit eingefroren und still scheint – feinfühlige Menschen spüren in dieser Zeit ein reges Treiben. Der Volksglaube besagt, dass die Seelen der Verstorbenen in dieser Zeit ausziehen, ihr Raunen könne man hören und dadurch die Zukunft vorhersagen.
Geräuchert wird meist nur während der vier wichtigsten Rauhnächte: die Thomasnacht am 21. Dezember, Heiligabend, Silvester und die Dreikönigsrauhnacht von 5. auf 6. Januar. Getrocknete Kräuterbuschen werden zerkleinert und mit Weihrauch und Kohle in einer feuerfesten Tonschale entzündet. Man beginnt am Herd, räuchert die Ecken der Küche und anschließend jeden Raum. Auch im Stall und um Hof und Stall herum. Mit Segenssprüchen wie diesem soll das Gute im Haus einziehen:
Die bösen Geister und Dämonen, die während der Rauhnächte durch das Tal ziehen, sollen so ferngehalten werden, schlechte Energien sich in Luft auflösen. Auch glaubt man, es bringe Unheil, wenn Betten und Wäsche im Freien gelüftet werden. Die Dämonen könnten sich in der Wäsche verfangen. Egal, ob man an diese übersinnlichen Dinge glaubt oder nicht – im Tal kann man sich der Magie der stillen Zeit nur schwer entziehen.
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