Duuratal Widderstein im Hintergrund | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

30. Okt. 2017 · Sommeraktivitäten | Erholung
Susa Schreiner

Go with the flow

Unsere Autorin testet zwei Walser Omgang Wege. Die führen sie vorbei an einem Alpschweine-Hotel, an unerwarteten Gewässern – und sie erlebt unterwegs dieses Gefühl...

Resturlaub im Walsertal – Flow und ganz viel Om

Mein liebstes Ziel, mein Kraftort: Das Kleinwalsertal, da will ich hin. Ich surfe auf der „Tal-Homepage“ und lande bei den Walser Omgängen.

"Flow: Das beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustands völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit", heißt es in der Psychologie.
2 Tage dem Schwarzwasserbach von der Quelle bis zur Walserschanze zu folgen lässt einen auch völlig vertiefen – eine Autorin erlebt den Flow ...


Nach diesem mächtigen Sommer, mit seinen vielen warmen, oft heißen Tagen ächzte nicht nur die Natur nach Ruhe, Kühle und Regen. Ehrlich gesagt, Anfang September pfiff auch ich aus dem letzten Loch ... draußen sein, Freunde treffen und bis in die Puppen draußen sitzen – derart intensive Sommermonate hinterlassen ihre Spuren. Also, die stabile Wetterlage musste ausgenutzt werden, aktive Regeneration war gefragt: Gemütlich wandern, Aussichten genießen und Einsichten gewinnen – Herbststimmung im Hier und Jetzt.

Kühe auf der Weide | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Der Omgang mit der Bezeichnung „Folge dem Lauf des Lebens“ – eine Wanderung entlang des Schwarzwasserbaches hatte es mir in meiner Post-Sommer-Stimmung sofort angetan. Ein zweiter Omgang trägt die Bezeichnung „Entdecke die Vielfalt des Lebens“, verlockend nicht wahr? Ich will beides erkunden und hänge noch einen Urlaubstag dran. An einem Tag die „Vielfalt des Lebens“ genießen, an einem zweiten Wandertag entdecken was „der Lauf des Lebens“ so für einen bereithält, ansonsten mal aktiv nichts tun, ein bisschen Wellness, viel gutes Essen – Kleinwalsertal ich komme!

Entdecke die Vielfalt des Lebens

Der erste meiner beiden Wandertage führt mich vom Walmendinger Horn über die Ochsenhofer Scharte ins Schwarzwassertal zur Auenhütte. Startpunkt ist die Bergstation der Walmendingerhornbahn, von dort geht es kurz bergab und dann quer Richtung Lüchlealp. Die nächste Stunde läuft man im leichten Auf und Ab über Almwiesen. Schmetterlinge flattern um die Nase, als wären sie das Begrüßungskomitee auf dem persönlichen Entdeckerpfad des Lebens. Bienen surren mit viel Tempo vorbei – als ob sie mir mitteilen wollten: Sorry, wir müssen arbeiten, schön, dass Du da bist! Ich glaube, ich bin schon im Flow ...

Walmendingerhorn | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Die hübschen Begrüßungsfalter haben ihre Arbeit getan. Ich verlangsame mein Tempo und richte meinen Blick auf die umliegenden Berge: Lichelkopf, 2.384 m und Walser Geißhorn, 2.366 m sowie die mächtige Valluga 2.809 m, in den angrenzenden Lechtaler Alpen (höchster Gipfel des Arlberggebietes) präsentieren sich mir. Nicht zu vergessen und zum Greifen nah der Kleine Widderstein, 2.236 m und dessen großer Bruder der Widderstein, 2.558 m, um nur einige zu nennen. Ich schlendere über saftige Wiesen und bin gespannt was mich hinter der nächsten Biegung erwartet.

Feinster Kuhglocken-Jazz

Alpe Stierhof | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Das zufrieden drein-kauende Jungvieh hat sich die besten Logenplätze reserviert. Wenn man ihnen so beim behänden Wiederkäuen zusieht, wie sie ganz genüsslich ihre dicken weichen Schnauzen der Sonne entgegenrecken, dann macht mich das glücklich. Das gleichmäßige Bim-bim wirkt wie musikalische Medizin auf mich: beruhigend und ausgleichend. „Wenn doch nur alle Kühe so einen Almsommer erleben dürften“, denke ich mir und schlendere weiter. Wo Kühe sind, sind auch Alpen. Ich komme an der Inneren Stierhofalpe und der Starzelalp vorbei. Viel altes Kulturland, viel Jungvieh, das die Sommer in (fast) grenzenloser Freiheit genießen darf, auf der Suche nach den leckersten Kräutern. Lediglich ein paar Hirten schauen nach dem Rechten. Für mich ein Aspekt in der Vielfalt des Lebens ...

Etappenziel Schwarzwasserhütte

Auf Höhe der Starzelalp mach ich eine kurze Trinkpause, denn die nächsten gut 30 Minuten geht es steil bergauf zur Ochsenhofer Scharte, dem Tor zum Schwarzwassertal, und damit zum Schwarzwasserbach, dem ich ja folgen möchte. Der Atem wird schneller, die Schritte langsamer ...

Schwarzwasserhütte im Herbst | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Oben angekommen eröffnen sich ganz neue Blickwinkel: Der Ifen schiebt sich in den Vordergrund mit seiner bizarren, einzigartigen Struktur und unten am Fuß der Scharte liegt die Schwarzwasserhütte, mein erstes Etappenziel.
Schon bald im Abstieg schwappt fröhliches Gelächter zu mir herauf. Ich freue mich auf den Einkehrschwung und meine Gedanken kreisen ums Kulinarische: Kaiserschmarren, Apfelstrudel, Knödelsuppe, oder doch lieber ein Brotzeitteller ... Huch, ich bin ja schon da! Die Wahl fällt auf Speckknödel mit Sauerkraut, sehr lecker.

Die Melköde-Alp

Von jetzt an folge ich dem Schwarzwasserbach, der hier oben zwei Quellen entspringt. Etwas unterhalb der Hütte mündet der Weg in einen lichten relativ steilen Bergwald. Am Waldrand, ein gutes Stück tiefer, liegt die Melköde. Vor der Alp breitet sich ein Hochmoor aus, der prachtvolle Ifen wacht auf der einen Seite über Hütte, Mensch und Vieh, während auf der anderen Seite der Schwarzwasserbach in einem Wasserfall die Steigung überwindet ... „Malerisch“, denke ich und lenke meinen Weg Richtung Hütte.
5 Minuten später sitze ich mit einer Marillensaftschorle in der Sonne und komme mit meinem Tischnachbarn ins Gespräch, dem Alpmeister der Melköde. Martin Fritz, heißt er und ist ein Walser Original: jung, mit viel Elan und heimatverbunden. Ich frage nach dem Schwarzwasserbach und erfahre viel: 

Alpe Melköde | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

„Ohne den Schwarzwasserbach würde es die Melköde an der Stelle nicht geben,“ startet Martin seine Erklärung. Hinter uns plätschert friedlich das Wasser. Aber der Bach kann auch anders: Martin zeigt mir Bilder vom Unwetter im vergangenen Juni. Ein einziges Gewitter verwandelte ihn binnen Minuten in ein bedrohliches Monster, das Wasser auf den Bildern ist dunkel, Martin meint es hätte intensiv nach Humus und Erde gerochen und auf die Frage woher der Bach seinen Namen hat, zeigt er nur mit dem Finger auf das Bild. Alles klar, ich habe verstanden. Früher sei das Wasser schon mal durch die Hütte gelaufen, aber hier haben Sie ein wenig getüftelt – die Hütte bleibt seit einigen Jahren trocken. „Bisher haben wir Glück gehabt“, meint Martin. 

Hotel für die Alpschweine

Erstmalig urkundlich erwähnt wurde die Alpe schon 1461, und ein Alpbuch von 1648 weist auf eine jahrhundertelange Bewirtschaftung der Genossenschaftsalpe Melköde hin. Seit jeher werden Milchkühe aufgetrieben und deren Milch zu Käse verarbeitet. Der Schwarzwasserbach sicherte die Wasserversorgung für Mensch und Tier

Martin Fritz - Alpmeister Melköde | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Martin ist seit 4 Jahren Alpmeister dieser Genossenschaftsalpe, nebenbei, wie er nebenbei erwähnt ... Die Verantwortung bei diesem „Hobby“ ist groß: Er hat im Sommer 6 Angestellte: 3 Mädels „schmeißen“ die Hütte, dazu kommen 1 Senner und 1 Melker und 1 Hirte fürs Jungvieh. An Tieren tummelten sich diesen Sommer hier 159 Jungtiere mit Mutterkühen, 5 Noriker Pferde, 23 Milchkühe und 14 Alpschweine. Stolz zeigt mir Martin das „Hotel für die Alpschweine“, wie er sich ausdrückt und erzählt, dass die Sauen diesen Sommer genüsslich den ganzen Tag in der Sonne lagen und sich einen Sonnenbrand einfingen. „Sie hätten ja bloß in den Schatten gehen müssen“, meint Martin, aber das wollten sie halt nicht. Er schmunzelt dabei, die Augen leuchten, und er ist stolz auf seinen „Alp-Zoo“.

Das Hochmoor und der Schwarzwasserbach

Martin erklärt mir weiter, dass der Schwarzwasserbach einen Ober- und einen Unterlauf hat. Das Resultat eines mächtigen Felssturzes. Ein riesiger Felsbrocken hatte sich vom Ifen gelöst und das gesamte Schwarzwassertal verlegt. Daraus sind die Hochebene und der Oberlauf des Schwarzwasserbaches entstanden. Auf meinem Weg ins Tal würde ich zwei große Felsbrocken passieren, dort versickert der Bach um in gut 500 Metern unter der Oberfläche weiter ins Tal zu fließen. Unterhalb der Auenhütte tritt das Wasser dann wieder an die Oberfläche und fungiert als Wasserstandpegel für die Einheimischen. Sprich: Wenn es hier ordentlich durchrauscht, staut sich weiter oben Wasser. Im Juni, so Martin weiter, ruft er oft Gummistiefelalarm für die Wanderer aus, dann liegt die Melköde an einem 12 Hektar großen See, das Hochmoor ist geflutet. 
Ich überlege, dass ich unbedingt mal im Juni nach langem Regen dorthin laufen muss, das will ich sehen ...

Schwarzwassertal mit Blick zum Widderstein | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

So langsam heißt es Abschiednehmen von der Melköde und Martin, der meint noch, dass es seine letzte Saison hier ist, „ab nächstem Jahr will er sich seinen anderen Hobbys wieder mehr widmen: Bergrettung, Landwirtschaft, Milchproben“ ... „Langweilig wird es ihm sicher nicht“, denke ich mir und bedanke mich für das Gespräch. 

Auf meinem Weg Richtung Auenhütte passiere ich die Felsen und tatsächlich, das Wasser ist weg. Meine Wanderung endet an der Auenhütte. 

„Folge dem Lauf des Lebens“

Die Sonne kitzelt mich schon früh morgens am nächsten Tag aus dem Bett, „komm steh’ auf“, sagt sie mir ...

Ich mache mich fertig, für meinen zweiten Teil „Go with the flow“ und lasse mich vom Walserbus Linie 5 wieder Richtung Auenhütte kutschieren und steige an der Haltestelle „Schröflesäge“ aus. Keine 150 Meter muss ich laufen bis ich den Schwarzwasserbach wieder zunächst höre, und dann als prachtvollen Wasserfall mit tiefen grünen Gumpen erspähe. Da ist es also wieder, das Wasser – wir sind am Unterlauf angekommen. 

Wandern Omgang | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

„Wäre tolles Terrain für Canyoning“, denke ich mir und erkenne im selben Moment fest installierte Abseilstellen. Ich hätte gerne beim Rutschen, Abseilen und Schwimmen zugesehen, aber der Sommer ist vorbei. 
Ich folge dem Weg, der kurz steil bergab führt, parallel zum Wasserfall. Unten sehe ich eine Bank, die so malerisch den Blick aufs Wasser lenkt, dass ich mich hinsetze, dem Plätschern lausche und ins Wasser starre ... 

Gumpe jucke

Omgang Breitachweg | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Eine junge Mountainbikerin hält neben mir an, macht ein Bild von der Gumpe. Ich frage sie spontan, ob sie öfter hierherkommt und ob der Bach für Sie eine besondere Bedeutung hat. Leonie, so heißt die junge Dame aus dem Wäldele, schaut mich von der Seite an, lacht und meint, dass das jetzt schon eine sehr spirituelle Frage sei. Stimmt, denke ich, ganz schön spirituell. Aber wenn ich hier leben würde, wäre ich immer hier. Glück, Leid, Liebeskummer – ich glaube dieser Bach und diese Bank haben schon viel erlebt ... Leonie kommt hierher zum Schwimmen und „Gumpe jucke“ , und nach einer kurzen Pause meint sie dann noch, ja, sie sei schon gerne hier, es wäre ein toller Platz, reine Natur halt und so still. Schön, denke ich mir, wenn man so einen Platz hat. Wir verabschieden uns und jeder geht seiner Wege.

Moospolster tätscheln

Meiner führt in leichtem bergab durch einen lichten Wald, dicke Moospolster leuchten in allen Grünschattierungen am Wegesrand. Ich muss die mal „tätscheln“, das muss ich seit meiner Kindheit. Ich finde es ein unheimlich tolles Gefühl wenn man so ein dickes weiches Mooskissen berührt, wie es nachgibt, dazu dieser satte Moosgeruch ... Ich erinnere mich an meine Kindheit, an die vielen Spaziergänge mit meinem Vater durch den Wald, auch am Wasser entlang ...

Kessellöcher Schwarzwassertal | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Das Wasserplätschern wird wieder zum Rauschen und ich neugierig: Ich folge einem schmalen Pfad zum Bach und erlebe ein fantastisches Naturschauspiel: tiefe Gumpen, „Kessellöcher“ genannt, viele kleine Felsstufen und zum Schluss ein mächtiger Wasserfall. Ich sauge die Szenerie in mir auf und lasse mich vom Rauschen des Wassers berauschen, da ist sie wieder, diese völlige Vertiefung in eine Sache.

Variable Tourenlänge

Etwas später spuckt mich der Weg aus dem Wald aus, und ich wärme mich kurz an der Herbstsonne, um dann wieder in den nächsten Waldabschnitt einzutauchen. Wer möchte, kann an der Lichtung seine Wanderung beenden und ist in wenigen Minuten an einer Bushaltestelle. 

Das ist im Übrigen das Tolle an dieser Wanderung: Man ist in einer vollkommen anderen Welt und doch ganz nah an der Zivilisation. Immer wieder gibt es Abzweigungen die zu einer Bushaltestelle führen bzw. direkt in den Ort Riezlern.

Mein nächstes Ziel ist aber nicht der Bus, sondern die Naturbrücke. Ein großer Felsbogen unter dem sich der Schwarzwasserbach durchschlängelt.
Von hier folge ich dem Weg weiter Talauswärts, das Wasser bietet volles Entertainment: Mal passiere ich weitere Wasserfälle, dann verlasse ich kurz den Bach und laufe über das Hochmoor „Höfle“ um nach kurzer Zeit wieder ans Wasser zu gelangen und erfreue mich an der wildromantischen “Kleinen Zwing”.

Schwarzwassertal im Herbst | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Andre Tappe

Ich lasse mich treiben, und spüre, dass ich meine Balance wieder gefunden habe. Auf dem Weg laden neben vielen Bänken, breite Holzliegen immer wieder zu einer kleinen Liegepause ein. Ich nutze die Letzte vor meiner Mittagspause im Waldhaus und schließe die Augen. Wieder summen Bienen um mich herum, und ein kleiner Falter nimmt auf meiner Hand Platz: „Und wie war es?”, scheint er mich zu fragen, „großartig, das Leben ist schön“, murmle ich vor mich hin. Der Schmetterling ist zufrieden und flattert weiter. Mission erfüllt.

Ich laufe indes zum Waldhaus, einer kleinen Waldwirtschaft direkt am Bach. Der Wirt meint es fängt gleich an zu regnen, ach, ich hatte mich die letzten Stunden gar nicht ums Wetter gekümmert. Am Himmel sind tatsächlich dicke Regenwolken aufgezogen, na gut, dann endet mein Weg eben hier und nicht an der Walserschanze – macht nichts. Nach einem leckeren Mittagessen geht es zur Bushaltestelle, an der zirka 150 Meter höher gelegenen Straße. Oben angekommen beginnt es zu regnen. Ist mir egal, im Gegenteil, ich grinse übers ganze Gesicht. super Timing, so im Flow ... 

Herbst im Kleinwalsertal | © Kleinwalsertal Tourismus eGen

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