Die Kaffeesiederin von Riezlern
Das heutige Café Amely in Riezlern hat den Tourismusaufschwung der 30er Jahre im Kleinwalsertal mitgemacht – und dabei ging es nicht immer nur um Kaffee & Kuchen...
Kurz vor dem zweiten Weltkrieg eröffnete das heutige Café Amely in Riezlern. Seine "Erfolgsgeschichte" zeichnet exemplarisch die Geschichte der Tourismusentwicklung im Kleinwalsertal nach. Weshalb in den Anfangsjahren außerdem viel mehr als nur der Duft von Kaffee und Gebäck durchs Haus zog, erzählt Stefan Heim.
Das Hotelierehepaar Hans und Amalie Seiwald kam im Jahr 1936 aus Garmisch ins Kleinwalsertal, baute 1936 ein Haus in Riezlern (heute Walserstraße 36) und bereits am 20. Dezember 1936 war die Eröffnung der Konditorei und des Café Seiwald. Das Café Seiwald war ein mustergültig geführter Betrieb und galt damals sogar als „kleine Sensation“. Frau Amely war mit Leib und Seele die, wie sie sich immer selbst nannte, „Kaffeesiederin“.
Tanz & Kabarett nach den Kriegsjahren
Im Jahr 1944 wurde ein Teil der Volksschule Riezlern im Café untergebraucht, weil das Schulhaus als Lazarett verwendet wurde. Die französische Besatzung erkor ab Mai 1945 das Haus als Unteroffiziersmesse.
1950 wurde das Haus erweitert und es kam die „Mocca Stube“ dazu und der Betrieb erhielt den Namen „Café Amely“. Neben der bekannten Konditorei gab es den Tanztee und den Abendtanz. Die „Wahl der Blumenkönigin“, Modenschau mit Heinz Östergard, Kabarett „die Stachelschweine“ mit Dieter Hildebrandt und Auftritte von Vico Torriani gehörten zum Angebot des Hauses.
Die Eisenbahnlinie bis nach Oberstdorf/Allgäu wurde 1889 eröffnet und bot den Urlaubern schon eine günstige Anreise. Von Oberstdorf ging es dann zu Fuß oder per Pferdefuhrwerk weiter und 1930 wurde die Omnibusverbindung von Oberstdorf nach Mittelberg eröffnet.
In den 1920er Jahren begann dann eine rasante Entwicklung des Tourismus. Sehr viele Menschen kamen damals schon vor allem aus Baden Württemberg. Die Bekanntheit des Tales in diesem deutschen Bundesland soll vor allem durch die Württembergische Schneeschuh-Kompanie Nr. 1 entstanden sein. Diese war während des 1. Weltkrieges zur Skiausbildung in den Hütten rund um die Melköde stationiert. Es begann in dieser Zeit bereits ein großer Zuzug von deutschen Staatsbürger, welche in der Folge auch eine entscheidende Rolle in der Tourismusentwicklung des Tales spielen sollten.
Erstaunliches offenbaren auch die Werbeplakate aus den 1930er Jahren. Bis zum Jahr 1938 hatte jede Ortschaft, also Mittelberg, Hirschegg und Riezlern, einen eigenen Fremdenverkehrsverein. Diese bewarben ihre Orte auch völlig unabhängig voneinander. Erst durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1938 wurde die Werbung für das ganze Tal vereinheitlicht.
Wie Pilze aus dem Boden
Die Jahre darauf begann eine sehr rege Bautätigkeit, worunter auch der Bau des Cafe Seiwalds fiel, wie wir aus dem Gendarmeriebericht vom 27. Jänner 1937 erfahren:
„Während der Jahre 1936 bis Herbst 1937 wurden in Hirschegg das Sportcafe-Fischer (Alpina), das Drogeriegebäude des Siegfried Walker, das Bankgebäude, das Sportheim „Württemberg“ und das Feuerspritzenhaus gebaut. Weiters wurden in Hirschegg noch 13 Privathäuser neu erstellt. In Riezlern wurde während der erstangeführten Zeit die Klinik Dr. Backer im modernsten Stile erbaut und eingerichtet. Es finden dort ca. 100 Personen Aufnahme. Die Klinik ist von Patienten dauernd besetzt. Weiters wurden in Riezlern zwei reichsdeutsche Zollwachhäuser, dann die Schreinerei Köberle, das Installationshaus Lingenhöl, das Cafe-Seywald, das Hotel-Walserschanz und noch 7 Privathäuser neu gebaut. Ferner wurde in Mittelberg das Sporthotel-Dreher in Baad, die Schreinerei Bruno Schuster, 3 reichsdeutsche Zollwachhäuser und 12 Privathäuser neu errichtet. Die gewerblichen Betriebe des Tales wurden fast durchwegs umgebaut und erweitert. Auch viele Privathäuser wurden für den Fremdenverkehr ausgebaut und eingerichtet.“
Stefan Heim ist Leiter des Walser Museums und Chronist der Gemeinde Mittelberg. Derzeit koordiniert und entwickelt er mit anderen Beteiligten das neue Konzept für das Walser Museum.
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