Eselwandern im Kleinwalsertal | © Kleinwalsertal Tourismus | Fotograf: Carolin Schratt

20. Aug. 2018 · Erholung | Sommeraktivitäten
Carolin Schratt

Eselwandern: Entschleunigt auf der Esel Trail Challenge

Gelassenheit, Genießen, Komfortzonen überschreiten... Fünf Tricks, die man sich abschauen kann, wenn man Esel durch die Berge führt.

Einen Tag vor dem längsten, härtesten, schnellsten Berglauf des Kleinwalsertals setze ich ganz auf Entschleunigung. Als Herbert, Ida, Lilly, Milan und ich uns zum ersten Mal beschnuppern, haben sie schon ein paar Tage Höhentraining hinter sich. Sie sehen stark aus, ausgeglichen und für jede Schandtat bereit. Beste Voraussetzungen also, wenn vier Flachland-Esel und fünf Eselführer wandern gehen!

Striegeln und bürsten vor der Eselwanderung | © Kleinwalsertal Tourismus | Fotograf: Carolin Schratt

Wir entscheiden uns für die abenteuerliche Variante. Ob uns der Pfad, der in der Nähe des Höllochs im Mahdtal abzweigt, wirklich durchlässt? Wir wissen es nicht. Aber die Abenteuerlust siegt heute. Obwohl Bernd erst gestern beim Spaziergang mit Esel-Wildfang Herbert kurz nach dem Hölloch auf ein unüberwindbares Hindernis stieß: Eine Felsstufe war zu hoch für den ausgewachsenen Esel. Man konnte nicht drübergehen, man konnte nicht druntergehen und auch nicht mittendurch oder drumherum. Also umkehren.

Immerhin: Die Holzbrücke, vor der die Esel am ersten Tag noch gestreikt haben, ist jetzt machbar. Doch ansonsten wird die erste Stunde unseres Ausflugs schon zur ersten Dehnprobe für die Geduldsfäden. Es dauert, bis die Esel in den Trott kommen. Bleibt einer stehen, rührt sich auch der Rest der Truppe nicht mehr vom Fleck. Ist man unaufmerksam, nutzt gleich einer die Gelegenheit zur Fress-Flucht an den grünen Wegrand. Also alle Aufmerksamkeit auf den Esel am Strick lenken. Das merkt er, genießt er und braucht er.

Begegnung mit Eseln und Pferden | © Kleinwalsertal Tourismus | Fotograf: Carolin Schratt

Nach einer Weile sind wir ganz allein auf dem Forstweg, der uns stetig bergauf führt. Meine Eselin Lilly läuft schön mit, sie weiß Mama Ida hinter sich. Sie ist die jüngste, hat gepflegtes braungrau meliertes Fell, eine unvergleichlich weiche Schnauze. Der zottelige, weißbefellte Herbert führt das Feld an. Milan mag es gemütlich. Seeehr gemütlich. Er trottet meist in einigem Abstand hinterher, träumt sich durch Bergkräuter, Hügel und Schotterwege.

Die Anweisungen der Eselführer sind ruhig aber bestimmt. Man darf gelegentlich nachgeben, wenn der kräftige Kopf wieder Richtung Wegrand zieht. Doch nicht jedes Mal. Bald lernt man, was die Leibspeisen auf dem satten Menüplan sind: Mineralstoffreicher Schachtelhalm, knusprige verwelkte Buchenblätter, von denen sie fast so schwer loszureißen sind wie ich von der Chipstüte.

Entschleunigung beim Eselwandern | © Kleinwalsertal Tourismus | Fotograf: Carolin Schratt

Wenn wir geplante Pausen einlegen, hat jeder Vierbeiner eine besondere Vorliebe: Der eine reckt sich nach den saftigen Blättern am Baum, der andere durchstreift mit der Nase das schienbein-hohe Gras. Ganz sorgfältig zupft Lilly nur ausgewählte Halme und Grasbüschel aus. Geräuschvoll zermalmt sie das Gras. Streifen, zupfen, malmen – ein immer wiederkehrender Rhythmus, von dem eine unvorstellbare Ruhe ausgeht. Man könnte ihr stundenlang zusehen und lauschen.

Endlich erreichen wir aufregenderes Gelände. Das erfordert Trittsicherheit, sowohl bei Mensch als auch Tier. Doch Ida wird auf den schmalen Wegen nervös. Wir sind kurz davor umzukehren, unternehmen dann aber noch einen letzten Versuch: Sie darf frei laufen. Die neu gewonnene Freiheit schmeckt ihr. Sie bleibt seltener stehen, läuft im Gänsemarsch brav hinter den anderen her, hat die nächsten Tritte gut im Blick. So macht es allen wieder Spaß.

Durch die Wildnis mit dem Esel | © Kleinwalsertal Tourismus | Fotograf: Carolin Schratt

Dann allerdings, in der Nähe des Höllochs und nach bereits vierstündigem Marsch, pokern wir. In der Hoffnung, dass der Trampelpfad nicht verwachsener wird und die verkarsteten Felsen bald vorbei sind, laufen wir weiter. Doch es wird immer schwieriger, den Weg auszumachen und umgestürzte Bäume und Büsche erschweren das Durchkommen. Dann knackst Lilly plötzlich in einem zugewucherten Felsloch am Hang um. Kehrtmachen zählt nicht unbedingt zu meinen größten Stärken. Aber auch mir ist jetzt klar: Wir müssen umkehren.

Die Esel nehmen die 180°-Kehrtwende mit stoischer Gelassenheit. Ohnehin habe ich das Gefühl, dass ihnen der Ausflug in die Walser Wildnis nicht so schlecht gefallen hat. Raus aus der Komfortzone Feldweg – auf zu neuen Gräsern! Ich nehme mir ein Beispiel an ihnen, genieße noch die letzten Minuten durch das aufregende Gelände, bis wir wieder auf die altbekannten Feldwege gelangen. Und trotz allem: Zurück am Mahdtalhaus wirken alle sehr zufrieden.

Esel zum Liebhaben | © Kleinwalsertal Tourismus | Fotograf: Carolin Schratt

Auch ich fühle mich am Ende des Tages ganz ausgeglichen, nur zu müde für jede Schandtat. Zwei Tage später – Kontrastprogramm bei der Walser Trail Challenge: Trailrunner am Walmendingerhorn anfeuern. Flinke Schuhe statt eigenwilliger Hufe trappeln an mir vorbei. Auch das ist natürlich eine Möglichkeit, um Stress abzubauen. Bewundernswert! Aber ehrlich gesagt: Verliebt hab ich mich nur in die langohrigen Bergläufer

Eselwandern im Kleinwalsertal | © Kleinwalsertal Tourismus | Fotograf: Carolin Schratt

5 Lektionen, die wir von Eseln lernen können:

1. Aufmerksam sein: Jeder Wanderpartner verdient Aufmerksamkeit. Mit Gesprächen, beim Aussicht genießen und mit der ein oder anderen Streicheleinheit. Auch das aufmerksame Beobachten der Umgebung zählt dazu: Vielleicht beobachtet dich im Bergwald eine Gemse…

2. Entschleunigen: Nicht auf jeder Tour muss man einen Geschwindigkeitsrekord aufstellen. Warum nicht einmal einen ganzen Tag für nur 8 Kilometer einplanen, bewusst trödeln. Länger Pause machen, als man körperlich nötig hat.

3. Raus aus der Komfortzone: Neue Pfade bringen Spannung in die Wanderung und sind ein Push für das Selbstbewusstsein. Wer nie etwas wagt, wird nie wissen, ob er gewonnen hätte.

Eselwandern im Mahdtal | © Kleinwalsertal Tourismus | Fotograf: Carolin Schratt

4. Umkehren: Keine Scheu vorm Umkehren! Sicherheit geht draußen in der Natur immer vor. Unsicherheiten wie plötzliche Wetterumschwünge oder Gelände, das einen nicht fordert, sondern überfordert, sollten ernst genommen werden. Und auch der bekannte Rückweg kann neue Perspektiven bieten.

5. Genuss zulassen: Ob eine schöne Aussicht, Pferde streicheln oder Heidelbeeren naschen am Weg – wenn man keinen Termin hat, macht es einfach Spaß, der kindlichen Neugier nachzugeben.

 

Vielen Dank an Neue Wege Mainz für die tolle Eselwander-Erfahrung!

 

Wassertretbecken am Kesselschwand | © Kleinwalsertal Tourismus eGen | Fotograf: Oliver Farys

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